Horst Schumacher ist langjähriger Chefredakteur des Branchenmagazins „Kommunalwirtschaft„. Wir haben mit ihm über das Thema Stadtentwicklung gesprochen und worauf es in den nächsten Jahren ankommen wird.
Herr Schumacher, Sie beobachten und begleiten seit nunmehr 50 Jahren publizistisch die Entwicklung im Bereich Stadtplanung. Was hat sich in all den Jahren verändert?
Nach dem Chaos der Kriegsschäden hatten alle gehofft, dass neue Wege und Gestaltungen unbedingt nötig sind. Dies ist jedoch nur in wenigen Fällen tatsächlich passiert. Das Debakel zu dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten ein Flächenverbrauch in nicht geahnter Größenordnung stattgefunden hat. Leider hat es weder auf Bundes-, Landes- noch auf kommunaler Ebene einen kompletten Masterplan für die zukünftige Stadtplanung gegeben. Es sind daher in den Großstädten, aber auch in den Mittel- und Kleinstädten die Eigentümer nicht in der Lage gewesen, über den Tellerrand zu denken. Obwohl absehbar war, spätestens zu Beginn der 60er Jahre, dass die Zukunft in ganz starkem Maße vom zukünftigen Verkehr gestaltet würde. Diese Tatsache wurde mit Ausnahme von wenigen Städten ignoriert. Diese Verweigerung, Flächen für zukünftigen Verkehr – sei es auf der Straße oder der Schiene – mitzuplanen, ist nur in kleinem Maße beachtet worden. In Städten wie München und z. B. Hannover haben die Baudezernenten die innerstädtischen Ringe aufgebaut, womit ein klares Konzept für die weitere Gestaltung der Stadt vorgegeben war. Die Stadt Köln war die einzige Stadt, welche diese Ringe schon unter Verwaltung des damaligen Oberbürgermeisters und Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer in den 1920er und bis Mitte der 1930er Jahre angeregt hat. Fazit: Für die nachfolgenden Generationen waren wesentliche Optionen neuer Gestaltung frühzeitig verbaut.
Wie sieht für Sie die Stadt der Zukunft aus?
Die Zukunft der Stadt von heute wird von der weiteren Zentralisierung geprägt sein. Da die Flächen für Neubau und Ausbau immer kleiner werden oder fast gar nicht mehr vorhanden sind, werden die Städte der Zukunft nicht mehr in die Breite, sondern in die Höhe gehen. Mehr und mehr werden heutige Neubauten statisch so gebaut, dass für eine spätere Aufstockung die entsprechenden Möglichkeiten bestehen. Wie sieht die Zukunft aus? Wenn es uns nicht gelingt, den Individualverkehr einzuschränken und über den ÖPNV die entsprechende Mobilität auszubauen, dürfte die Stadt der Zukunft an ihren eigenen Fähigkeiten scheitern. Dies beginnt bei schlechter Luft und endet bei Lärmbelästigungen in nicht bekannter Größe. Letztlich könnte dies zu Abwanderungsbewegungen von einer Stadt in die nähere Umgebung führen. Die Zeit für diese Veränderung ist schon fast aufgebraucht und es gehört dazu ein riesiges Aufgebot an Ideen, besonders der Politik, zu einer Lösung zu kommen.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit diese Vision erreicht werden kann?
Eine Vision zu entwickeln, ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Probleme relativ schwierig. Sollte man trotzdem eine solche haben, dann brauchen wir ein völliges Umdenken auf den drei Ebenen Bund, Land und Kommune. Da Politik sehr wenig Visionen von Hause aus hat, besteht die einzige Chance darin, etwas zu verändern, wenn an interessanten Streitpunkten in den Städten die Menschen aktiviert werden können und somit unter dem Druck von unten die Herrschenden zu Änderungen zwingen. Einspannen für diese Dinge könnte man logischerweise die Verbände, wenn diese 1. unabhängig wären und 2. nicht so zahlenmäßig übergroß wären. Hierbei ergibt sich noch die Chance, entsprechende Verbände zu Fusionen zu animieren, um mit einer größeren Schlagkraft auf die politischen Ebenen einwirken zu können. Hierzu müsste man auch die Spitzen der Verwaltungen der drei Ebenen zu entsprechenden Gesprächen einladen und den Vorschlag der größer gewordenen Verbände in den Ring werfen. Es hört sich an wie Utopie – aber es wird einer der wenigen Wege sein, um die prekäre Situation in den Griff zu kriegen.
Wodurch sehen Sie das Grün in unseren Städten am meisten bedroht?
Das Grün in unseren Städten ist am meisten dadurch bedroht, dass die Politik und ihre Lobbyisten rein egoistisch Projekte in den Städten realisieren, in denen das öffentliche Grün nicht vorkommt. Der Ausbau z. B. der Straßen in unseren Städten dient nicht, wie es auch sinnvoll wäre, der Bepflanzung mit öffentlichem Grün, sondern es werden eher die Straßen verbreitert oder neue Fahrradstreifen angelegt. Für das Grün bleibt wenig Raum und auch die Baugesetze sehen nur notdürftig vor, dass zusammen mit den bestehenden und auch zu sanierenden Objekten Grün berücksichtigt werden muss. Auch hier wäre es angebracht, besser über die Wirkung von öffentlichem Grün in Bezug auf Klima, Optik und Gesundheit der Bevölkerung hinzuweisen. Auch dies wäre nur durchschlagend sinnvoll, wenn unterschiedliche Verbandsgruppierungen gemeinsam einen Weg gehen würden.
Weil immer mehr Flächen versiegelt sind, drohen bei Starkregen Überschwemmungen. Gleichzeitig soll aufgrund der zunehmenden Verstädterung aber ständig neuer Wohnraum geschaffen werden. Wie befreien wir uns aus diesem Dilemma?
Das Thema Starkregen und Oberflächenwasser ist leider seit über 30 Jahren nicht mehr beachtet worden. Auch hier gilt wieder, dass es keine Verständigung zwischen den unterschiedlichen Behörden und Fachschaften gibt. Es müssten gleichzeitig mit dem Aufbau neuer Abflussmöglichkeiten die schon bestehenden und auch neu geschaffenen Retentionsflächen gefördert werden. Da die zunehmende Verstädterung weiteren Flächenraum beanspruchen wird, sollte man schon bei der Planung von Sport-, Freizeit- und Parkanlagen diese Flächen als möglicherweise Überschwemmungsbereiche und Retentionsflächen einplanen.
Gibt es Projekte, von denen Sie sagen würden, dass hier vieles sehr vorausschauend umgesetzt wurde?
Es gibt für mich insgesamt drei oder vier Projekte, wo die Städte schon vorausschauend Dinge geplant oder umgesetzt haben. Die zukünftige Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn gibt ein klares Bild, wie man sowohl im Wasserbereich als auch im Bau und Straßenbereich vorgehen kann. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Stadtentwicklung in Wilhelmsburg / Hamburg. Hier wurde ein neuer Stadtteil in Verbindung mit einem alten geschaffen. Die IBA und IGA sind hier verknüpft eingebunden worden und die Nutzung und Profilierung dieses Stadtteils spricht für sich. Ein ähnlich gutes Beispiel ist die Entwicklung in der Stadt Bamberg, auch hier war eine Landesgartenschau maßgeblich an der Umsetzung einer grünen Stadtentwicklung beteiligt. Alle drei genannten Objekte haben sich als neue Hotspots in den genannten Städten entwickelt.
Was möchten Sie abschließend all jenen auf den Weg geben, die Geld in die Fördertöpfe für Stadt- und Grünraumplanung geben?
Meine Antwort auf den Weg in Sachen Fördertöpfe ist ein ganz einfacher. Diese Töpfe dürfen nur geöffnet werden, wenn eine abgesegnete Stadt- und Grünraumplanung vorliegt. Das muss relativ leicht der Fall sein, denn die Gelder folgen ohnehin erst nach einiger Zeit der Planung. Also hat man genügend Zeit, neben der Planung auch die entsprechende Struktur der Finanzierung zu verwirklichen.
10.12.2018